Thursday, February 09, 2006

John & Jane, Ashim Ahluwalia, 2005

Ein seltsamer, kleiner Film, der im Festivalstrubel wahrscheinlich hoffnungslos untergehen wird und auch meine Aufmerksamkeit voll nur langsam erringen konnte. Ahluwalia erzählt von sechs Mitarbeitern eines amerikanischen Callcenters in Indien, beobachtet sie bei der Arbeit, lässt sie über ihre Zukunftspläne reden, zeigt sie in ihrer privaten Umgebung. Alle träumen sie von Amerika, wollen am liebsten Amerikaner werden, färben sich schon mal die Haare blond oder führen die Ehefrau in den wenigen gemeinsamen freien Minuten zu McDonalds.
Was den Film von anderen seiner Art abhebt, ist das Fehlen einer dritten Perspektive. Weder werden die Amerikaträume mit der sozialen Realität Indiens (oder auch Amerikas) abgeglichen, noch findet ein kultureller Diskurs statt - im ganzen Film fällt kein einziges Wort in Hindi, die Bilder der Stadt sind fast aller lokalen Zeichen beraubt, die Callcenterfirma und ihre Mitarbeiter scheinen tatsächlich bereits in einer Welt jenseits der Geschichte angelangt zu sein.
In John & Jane geht es nicht um innerindische Gesellschaftskritik oder Kulturimperialismus. Stattdessen zeigt der Film von der ersten bis zur letzten Minute capitalism at work. Die Callcenteragents leben die neoliberale Ideologie so überzeugend nach, dass John & Jane streckenweise tatsächlich als Kapitalismuswerbeclip funktionieren könnte. Anfangs werden zwei Arbeiter portätiert, die mit dem Alltag im Callcenter nicht zurecht kommen, der eine gibt gar die Stelle auf und wird Tanzlehrer. Doch im folgenden siegt Amerika, und zwar immer überzeugender bis zur blondierten Pseudoamerikanerin samt Pseudoemanzipation. Unterlegt ist das Ganze mit sphärischen, erfrischen dezenten Ambientklängen, die dem gleichen utopischen Fluchtpunkt entgegen zu streben scheinen wie die portätierten jungen Inder.
Was Ahluwalia durch die strikt subjektivierende Perspektive auf das Objekt erreicht, erscheint zumindest stellenweise nicht weniger zu sein als eine Phänomenologie des Kapitalismus, als dessen immanentes Strukturprinzip die Utopie deutlich hervortitt. John & Jane ist gerade angesichts Dutzender auf der Berlinale vertretener politischer Kampfdokus, die ebenso nutzlos verpuffen werden wie die Abertausenden vor ihnen, ein sehr bemerkenswerter Film.

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