Friday, February 17, 2006

Zweimal Iran

Zemestan, Rafi Pitts, 2005

Zemestan besteht aus zwei Arten von Bildern. Einmal gibt es da die, die dem Film das Prädikat "Neorealismus" eingebracht haben, was auch immer das - im allgemeinen und hier im speziellen - bedeuten mag. Es sind dies halbwegs naturalistische, freilich immer extrem komponierte Stadtansichten oder Bilder von /in Fabriken, immer begleitet von einem schrecklich aufdringlichen Klangteppich, der die einzelnen Einstellungen verbindet und ihnen entgültig jede dokumentarische Qualität raubt.
Die andere Bildsorte schreit schon von weitem Poesie. Oft befindet sich hier ein einzelner Mensch genau in der Mitte des Bildes, hat den Kopf gesenkt, während der Hintergrund sich dank Weichzeichnereinsatz aus dem Staub machen darf.
Zwischen diesen beiden, gleichermaßen widerlichen visuellen Ebenen blitzt manchmal eine dritte auf, eine, in der die Poesie spröde genug bleibt, um nicht von falscher Emotionalität erschlagen zu werden und die Darstellung der sozialen Realität des Iran mehr ist als nur Behauptung. Genau die Ebene also, die das iranische Kino vor allem in den 80er Jahren zu einem der fruchtbarsten überhaupt machte. Diese kurzen Ahnungen eines um so viel besseren Films tragen um so mehr dazu bei, Zemestan, dieses widerlich ästhetizistische Rührstück, zu dem unerträglichen Film zu machen, der er ist.
Überhaupt scheint das iranische Kino genau in dem Moment, in dem es von der Berlinale - natürlich viel zu spät - entdeckt wird, dazu überzugehen, typische Festivalfilme zu produzieren, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen Sozialrealismus und Allerweltspoesie zu verlieren drohen. Auch der langweilige Forumsbeitrag Another Morning führt in eine ähnliche Richtung. Und selbst der eigentlich recht überzeugende Gradually... zeigt einige Besorgnis erregende Symptome.

Men at Work, Mani Haghighi, 2005

Umso schöner, dass immerhin ein iranischer Film neue Wege beschreitet und gleich beide Pole, zwischen denen sich das persische Kino seit langem bewegt, weiträumig umfährt. Men at Work ist digital produziert und bereits die alles andere als perfekte Technik des Films verhindern den Aufbruch in Richtung Poesie. Haghighi erzählt in extrem reduziertem Setting eine sehr effektive Geschichte. Eine Gruppe von Freunden will auf dem Weg in den Urlaub einen Felsen zu Fall bringen, der provokant erektiv in der Gegend herum steht. Die Freudschen Bezüge des Werkes sind unübersehbar, in ihrer Offensichtlichkeit aber durchaus interessant und auf überzeugende Weise mit den persönlichen Problemen der Männer verbunden. Men at Work zeichnet das Bild einer iranischen Mittelschicht, deren Probleme - Frauen, Autos und natürlich Potenz - sich nicht allzu sehr von denen der Pendants in anderen Ländern unterscheidet. Zwar gelingt es dem Regisseur nicht, seine Geschichte über die volle Laufzeit in Schwung zu halten und gegen Ende ist er gezwungen, eine allzu gewöhnliche Auflösung der Geschichte zu finden, doch insgesamt ist sein Werk sicherlich eines der gelungeneren - und vor allem überaschenderen - der diesjährigen Berlinale.

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