Tuesday, October 10, 2006

Zwei Mädchen aus Istanbul / Iki genç kiz, Kutlug Ataman, 2005

Iki genç kiz bedeutet wörtlich übersetzt "Zwei Mädchen". Der deutsche Verleih fügt diesem etwas lapidaren aber im Prinzip vollkommen ausreichenden Titel zwei Worte hinzu: "aus Istanbul". Und schon wird aus einem banalen Exploitationfilm waschechte Türksploitation. Denn nun ist ja klar, was das Publikum erwarten darf: restriktives, islamisches Patriarchat trifft auf jungen, weiblichen Lebenswillen und bleibt natürlich Sieger. Istanbul, Stadt zwischen Tradition und Moderne, Kampf der Kulturen usw.
Tatsächlich werden die kulturalistischen Klischees, die der Verleihtitel bedienen möchte, vom Film dann eher weniger eingehalten, obwohl die Grundprämisse tatsächlich stimmt, den nicht vorhandenen Religionsdiskurs ausgenommen. In der Tat geht es um chauvinistische Unterdrückung und den Versuch zweier Mädchen, jeweils unterschiedlicher Formen derselben zu entkommen. Aber insgesamt ist der Film - kein Festivalklino, sonder "junges, urbanes türkisches Kino", was immer das heißen mag - eher schlecht als dumm.
Zwei Mädchen aus Istanbul ist in mancher Hinsicht Larry Clark light. Will heißen, Ataman inszeniert stellenweise fast so dynamisch wie der Amerikaner, zu großen Teilen jedoch in derselben Möchtegern-Dogma Ästhetik, die das Europäische Kino der letzten Jahre mit unschöner regelmäßigkeit heimsucht und die Exploitation-tauglichen Sequenzen beschränken sich auf einen Blowjob im Auto, eine Vergewaltigung und Mißbrauch von - nein, nicht Crack, sondern - Schlaftabletten. Ach ja, ganz sanft wird noch eine lesbische Beziehung angedeutet aber das wars dann auch schon.
Zwei Mädchen aus Istanbul ist, wie mir aus glaubwürdiger Quelle mitgeteilt wurde, die Verfilmung eines sehr schlechten Romans. Der Film umschifft zwar die meisten Peinlichkeiten, die dem Stoff eigen sind, mehr oder weniger souverän, kann allerdings nicht über dessen aufdringliche Konstruiertheit hinweg täuschen. Und ein Film über Istanbul ist er natürlich schon gleich gar nicht, sondern nur ein überambitioniertes Kammerspiel mit einem Geltungsanspruch, den es in keinem Augenblick einlösen kann. Wenn der hochdekorierte Film etwas über die Türkei aussagt, dann nur eines: Auch am Bosporus gewinnen manchmal die falschen Filme die Preise.

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