Sunday, November 26, 2006

Casino Royale, Martin Campbell, 2006

Casino Royale stellt in keiner Weise die Rückkehr zu irgendwelchen Wurzeln der James-Bond Reihe dar, wie mancherorts vermutet wird. Ganz im Gegenteil: Mit seinem neuen Abenteuer ist 007 vielleicht erstmals seit den ersten Abenteuern in den frühen Sechziger Jahren wieder auf der Höhe des Zeitgeistes angekommen. Von der schwarz-weissen Eröffnungssequenz in der Art von Sin City - einem letztlich vollkommen willkürlichen Stilzitat - über die Afrikaepisoden, die durch Handkameraeinsatz und andere Spirenzchen eine soziale Wirklichkeit so schamlos zu evozieren versuchen, wie es die Bond-Klassiker nie versucht hätten bis zur - freilich schon in GoldenEye durchexerzierten - Dekonstruktion des eigenen Mythos samt Geschlechterrolle und weiss der Teufel was verrät jede Szene das Ziel, ja nicht antiquiert wirken zu wollen im Vergleich mit Bourne Supremacy bzw. MI:3. Und in Sachen Product Placement kann Casino Royale sowieso niemand etwas vormachen. Hätte der Streifen nicht mit dem MGM-Logo begonnen, die Grenze zwischen Werbung und Hauptfilm wäre schwer auszumachen gewesen.
Auch die fast verzweifelt wirkende Betonung des Indexikalischen kennt man aus obigen Beispielen. Campbell geht jedoch weiter als die Konkurrenz. Der Vorspann suhlt sich in einer heruntergekommenen Toilette, die bald die Spuren des ersten Opfers des neuen 007 trägt, in jeder zweiten Szene wird Daniel Craig (der selbstverständlich kein echter James Bond ist!) eine neue Wunde zugefügt, das Blut fließt, wie der Schweiss, in Strömen und wird in zahlreichen Großaufnahmen fetischisiert, einmal ist sogar die Reproduktionsfähigkeit des Agenten ernsthaft in Gefahr. Auch der Bösewicht definiert sich über eine Körperflüssigkeit. Überhaupt wird der Film von einer manchmal recht aufdringlichen Zeichenlogik durchzogen, was bereits mit der Ausstellung des hyperklassischen MGM-Logos beginnt. Die Entkleidung der Figur von einem Großteil ihrer Insignien dient nur dazu, dieselben nach und nach wieder ins Spiel zu bringen, eine Taktik, die zwar recht gut funktioniert, aber auf eine Krise der Filmserie verweist. Campbell vertraut der Formel nicht mehr und wie die meisten Metagenrefilme löst sich auch Casino Royale etwas zu stark vom dem Regelwerk ab, auf dem er basiert.
Ist Casino Royale ein guter Bond? Zu weiten Teilen und vor allem in den zwei letzten Filmdritteln, die wieder an die traditionell schwachsinnigen Plotlines und die Konsumgeilheit des Franchise anschließen, durchaus. Ärgerlich ist neben einigen Kleinigkeiten (dem Titellied beispielsweise) vor allem die Tatsache, dass die hektischen und unkoordinierten Actionsequenzen - wie in den meisten Bonds der letzten beiden Jahrzehnten - nicht überzeugen können. 007 hätte es langsam verdient, einmal einen wirklich guten Actionregisseur zu bekommen, Walter Hill meinetwegen, oder Tony Scott. Vielleicht sogar John Woo. Die richtige Figur für einen echten Actionreißer hat Craig ja durchaus.

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