Wednesday, August 15, 2007

Salvador, Oliver Stone, 1986

Oliver Stones Werke sind oft in ihrem Scheitern weitaus interessanter als andere Filme in ihrem Gelingen. Zu nah wagt Stone sich an seine Sujets, mit zu vielen Diskursen lädt er seine Arbeiten auf, zu viel Empathie und Exzess auf allen Ebenen, als dass all dies auch nur irgendwie mit der klassischen Hollywoodform kompatibel wäre, auf die er doch immer wieder zustrebt. Seine stärksten Werke entwickeln ihre Dynamik genau aus dieser Spannung, weisen an allen Ecken und Enden über die Vieraktstruktur, das psychologisierende Narrativ etc hinaus, drohen jeden Moment auseinanderzubrechen. Würde Stone den Anspruch, ein Hollywoodfilmer zu sein, völlig aufgeben, würde wahrscheinlich nicht viel mehr übrigbleiben als mäßiger, wohl auch oftmals reichlich inkonsequenter Agit-Prop (Comandante habe ich diesbezüglich im Verdacht, gesehen habe ich den noch nicht). Stone benötigt die Herausforderungen einer Form, die seinen Inhalten tendenziell entgegenarbeitet, sie zu bändigen, domestizieren droht und der dies doch nie ganz gelingen kann, da das Material in sich zu widerständig bleibt.
In Salvador wird dies beispielsweise in den langen Politdiskussionen zwischen dem liberalen James Woods und Reagans Right-Wingern deutlich, Diskussionen, die bei weitem zu viel Raum einnehmen angesichts ihres eigentlichen dramaturgischen Werts und die sich dennoch immer im Kreis zu bewegen scheinen, da sie einen bestimmten Punkt nicht transzendieren dürfen (genauso darf Woods nur Left-Winger, nie aber Kommunist sein).
Überhaupt Woods: Frederic Jameson beschreibt seine Figur in The Geopolitical Aesthetic als eine ehrlich schizophrene Heldenfigur, weit entfernt von den nur neurotischen Protagonisten des modernistischen Kinos. Doch noch schizophrener Als Woods ist das Verhältnis zwischen Stone, Woods und der Handlung des Films, in die Woods Kriegsberichtserstatter mehr schlecht als recht eingepasst wird. Woods verkörpert immer etwas zu viele strukturelle Typen auf einmal und genau diese narrative Überdetermination (Bogart-artiger Held der desillusionierten amerikanischen Linken, liberales Gewissen einer grenzfaschistischen Weltmacht, Weißer Mann, der dunkelhäutige Frau erobert, Hunter S. Thompson-Style Späthippie, Held der freien Presse etc) sorgt nicht nur für seine schizophrenen Züge sondern findet zusätzlich in Woods hyperenergetischem Schauspiel und Stones ebensolchem Regiestil ein perfektes Ventil. Das zu viel erstreckt sich tatsächlich auf alle Bereiche des Films.
Und nicht nur Woods ist zu viel, sondern alle Amerikaner, die in dem Film an jeder Straßenecke auftauchen und sich El Salvador dadurch praktisch gleich noch einmal aneignen. Die lokale Bevölkerung bleibt, wie in noch fast jedem Hollywoodfilm, der außerhalb Amerikas spielt Background, Lokalkolorit, natürlich. Doch der Film ist sich dieses Problems bewusst (oder integriert es vielleicht auch nur unbewusst, whatever) und zwar in der Figur der Maria, die immer wieder versucht, ihre eigene Subjektivität in den Film einzubringen, aber immer wieder von den amerikanischen Charakteren eben daran gehindert wird, ganz zum Schluss sogar tatsächlich von der amerikanischen Immigrationspolizei selbst.
Natürlich geht es nur um die Amerikaner, doch es geht in gewisser Weise etwas zu sehr um sie oder genauer: es geht zu sehr um sie als Amerikaner. Neben Boy Meets Girl geschieht zu viel, als dass alles darauf oder auf die andere Seite der double Plotline (Woods Kriegsberichterstattungs-Heldengeschichte) reduzierbar wäre. Allein das reaktionäre Lager ist in zu viele Einzelfiguren aufgeteilt (den Reagan-Harlinerproll, den Reagan-Hardliner Technokrat, die Yuppie-Journalistin, den homoerotisch angehauchten sadistischen Unterbefehlshaber, den Family-Man-Diktator etc) als dass sich diese zu einem kohärenten und damit für eine entploitisierende Narration funktionalen Aktanten zusammenfassen ließen.
Auch an anderen Stellen kollidiert der Film mit seinen eigenen Ansprüchen und ideologischen Voraussetzungen, wenn er beispielseweise in einem leicht durchschaubaren Akt der ideologischen Eindämmungspolitik auch die Guerillas beim Kriegsverbrecheln zeigt (bei genauerer Betrachtung verwundert es doch, dass ausgerechnet hier ein Bild produziert wird, wie man es aus der Tagespresse zu kennen meint, die Hinrichtung per Pistole eines knienden Kriegsgefangenen nämlich, während die Verbrechen der Diktatur nur in recht komplexen, nie ganz überschaubaren Versuchsanordnungen figuriert werden können; in Versuchsanordnungen, die nie auf nur ein Bild reduziert werden können) und dadurch Woods die Chance gibt, den Satz zu sagen, der noch in fast jedem (Bürger-) Kriegsfilm seit cirka 1975 fallen muss: "You've become just like them!" (osä).

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