Wednesday, April 30, 2008

Hanaoka Seishu no tsuma / The Wife of Seishu Hanaoka, Yasuzo Masumura, 1967

Eine junge Frau heiratet in die lokale Ärztefamilie ein. Der Sohn des Hauses, ihr Ehemann ist ein Genie, das stellt der Vater von Anfang an klar. Allerdings ist dieser Sohn erst einmal nicht zu hause. Die ersten drei Ehejahre verbringen Mann und Frau getrennt, das Genie studiert. Dafür sehen wir, wie der Vater, ebenfalls ein Arzt, operiert. Den grotesk wuchernden Geschwüren seiner Patienten nähert er sich mit dem bloßen Messer. Das Geschrei ist groß.

Die beiden Schwestern des Arztes bleiben unverheiratet und unterstützen die Familie. Die eingeheiratete Kae fügt sich gut ein und wird von der Schwiegermutter ob ihrer Handarbeiten gelobt. Doch sobald der Sohn - ihr Mann - zurück ist, vollgepackt mit Koffern und strohbekleidet, verändern sich die Machtstrukturen. Dem Heimkehrer das Wasser zum Füßewaschen reichen dürfen die Schwestern, nicht die Frau. Die muss sogar in den ersten Nächten alleine schlafen, der Sohn bleibt bei der Mutter. In den wunderschön komponierten Familienpanoramen bleibt Kae im Hintergrund, die Schwiegermutter blickt sie mitunter wenig freundlich an, sonst kümmert sich nur die Regie um sie. Die sorgt dafür, dass das Gesicht der Frau immer mindestens doppelt so sehr leuchtet und strahlt wie die Gesichter aller anderen Personen.

Umpei Hanaoka Seishu war der weltweit erste Arzt, der erfolgreich Operationen unter Verwendung von Anästhetika durchführte. Masumuras Film zeichnet nach einem Roman Ariyoshi Sawakos die Leiden auf, dei für diesen Durchbruch nötig waren. Der Schlüssel zum Anästhetikum ist schnell gefunden und wächst im Garten. Doch zunächst ändert sich wenig: Umpeis Schwester stirbt an einem Tumor, der ihre Brust absurd deformiert. Die special effects in Hanaoka Seishu no tsuma besitzen eine Tendenz zur comichaften *bertreibung und sind doch stets rührend ernst gemeint.

Zunächst steigt die Katzensterblichkeit. Umpeis Versuchstiere vertragen das Betäubungsmittel erst gar nicht, danach etwas besser, torkeln aber dennoch aufgrund der Spätfolgen derangiert durch die Gegend. Ist das auch ein special effect oder womit wurden die armen Tiere gefüttert? Als die Tiere dann endlich zu schlafen scheinen, möchte Umpei seinen Erfolg testen und sticht ihnen humorlos mit dem Messer in den Bauch. Zum Glück offscreen. Die Katze jault, das Anästhetikum ist noch nicht perfekt.

Überraschend viel Zeit lässt sich Masumura, dessen Filme sonst meist schnell zur Sache kommen, mit dem Drama. Die Wutausbrüche Kaes ob der Behandlung durch die Schwiegermutter sind schnell verflogen, selbst der Tod der ersten Tochter hinterlässt wenig Spuren in der Dramaturgie. Erst nach einer Stunde wird die Sache ernst: Menschliche Versuchstiere sind gefragt. Frau und Mutter bieten sich gleichzeitig und gleich vehement an. Wer der anderen den Vortritt lässt, droht, das Gesicht zu verlieren. Der Siegerin im Wettstreit droht zwar der Tod, dafür aber gebührt ihr ewiger Ruhm. Die Blickwechsel werden garstiger.

Trotz der emotionalen Klimax der letzten vierzig Minuten ist die zugrundeliegende Logik des Films eine serielle. Immer wieder Katzen, immer wieder Brustkrebs in Form abstruser special effects, immer wieder Selbstversuche mit immer wiederkehrendem Ritual: Kopfbinde, Fußbinde, Abschiedsworte, Begrüßungsworte, immer wieder Schwangerschaften. Alles was passiert, passiert mindestens zweimal, meistens dreimal. Als Umpei schließlich einen Tumor besiegt, sieht das kaum weniger krude aus als die Operationen seines Vaters zu Beginn des Films. Der (medizinisch-wissenschaftliche) Fortschritt ergibt sich nicht aus qualitativen Sprüngen, sondern aus quantitativen Verschiebungen innerhalb längerer Serien. Das Genie des Arztes wird anfangs behauptet, entscheidend für den Erfolg ist jedoch keine geniehafte Subjektivität, sondern ein komplexes soziales Gefüge, das die Veränderung mühselig erwirkt. Der triumphale Wissenschaftsfilm europäisch-amerikanischer Prägung ist in Hanaoka Seishu no tsuma dezidiert nicht zu erkennen.

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