Monday, September 08, 2008

Madamu to nyobo / The Neighbor's Wife and Mine, Heinosuke Gosho, 1931

Die Tonspur auf dem Filmstreifen ist 1931 noch frisch und jung, gerade in Japan, wo bis in die späten 30er der Stummfilm noch echte Alternative bleibt. In The Neighbor's Wife and Mine bricht die Tonspur als Störfaktor in den Film ein und stört die Textproduktion. Erst ganz am Ende ist der Filmton gezähmt und die Buchstaben leiden nicht mehr unter ihr.
Nach einem sonderbaren Prolog um einen im weiteren Verlauf nicht mehr auftauchenden Maler (dessen Bildproduktion geht sehr schnell vor die Hunde, im weiteren dominieren Textproduktion und Tonproduktion) zieht ein Schriftsteller mitsamt junger Familie in ein Landhaus. Es gilt für ihn, möglichst schnell ein Theaterstück zu vollenden, der Auftraggeber drängt schon. Doch noch jedesmal, wenn er sich hinsetzt und beginnt, die ersten Zeichen auf das Konzeptpapier zu schreiben, stört die Tonspur. Mal lässt sie eine Katze miauen, mal stören Mäuse, mal terrorisieren die eigenen Kinder per Wecker (dass der Kinozuschauer ob der mangelnden Qualität der Kopie viele dieser Geräusche höchstens erahnen kann, verleiht The Neighbor's Wife and Mine eine zusätzlich bizarre Note). Blatt für Blatt wird zusammengeknüllt und weggeschmissen (oft auch Blätter, auf die noch nicht ein einziges Zeichen gemalt wurde, so weit reicht die Krise der Textproduktion), sehr zum Ärger der Ehefrau, die langsam aber sicher die Geduld verliert. Und wenn ein Hausierer klingelt und dem Narzissmus des eitlen und tendenziell auch faulen (die Tonspur ist oft genug nur Ausrede) Schriftstellers schmeichelt, kauft er ihm sehr gerne mit seinem letzten Geld scharlatanistischen Unsinn ab.
Richtig in Fart kommt die Tonspur, wenn im Nachbarhaus die Jazzband zu proben beginnt. Nun ist an Textproduktion schon gar nicht mehr zu denken, jetzt gilt es den Ursprung des Filmtons nicht mehr nur zu vertreiben, sondern auch zu ergründen. Zunächst möchte der Schriftsteller nur um Probepause bitten, aufgrund einiger Modern Girls und mehrerer Flaschen Alkohol wird es jedoch ein längerer Aufenthalt. Der erwartbare Wutausbruch seiner Frau hinterher (nun ist sie es, die den Textfluss, der langsam in Gang kommt, hemmt, durch absichtliches Lärmen in der Küche, wenn ich mich richtig erinnere) ist überraschenderweise vor allem darauf zurückzuführen, dass sie selbst auch gerne ein Modern Girl wäre.
Am Ende verbinden sich mehrere Modernisierungsmotive miteinander: Der Filmton selbst, das Modern Girl sowie die Jazznummer "The Age of Speed", die der Schriftsteller ganz wörtlich nimmt und die ihn zu schriftstellerischen Hochleistungen anspornt. Und im Epilog, der motivisch an den Prolog anschließt, haben sich der Schriftsteller und seine Familie mit der Tonspur nicht nur arrangiert, sondern sind mit ihr eine Symbiose eingegangen, stimmen in ihre Melodie mit ein.
Ein schöner, ein regelrecht zauberhafter Film.

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