Tuesday, April 06, 2010

Peter Ibbetson, Henry Hathaway, 1935

Hat mich neulich spontan umgeworfen und nachhaltig verzaubert: Henry Hathaways Peter Ibbetson, ein Meisterwerk des Hollywood-Surrealismus, ein gewaltiger, gleichzeitig filigraner und wuchtiger Schuss vor den Bug des Realitätsprinzips.
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Die Kindheit im herrschaftlichen Pariser Anwesen, die Nachbarstochter auf der anderen Seite des Zaunes. Schuss/Gegenschuss immer durch den Zaun hindurch, sie wird, als das Objekt einer ihrer selbst noch unbewussten Begierde immer etwas enger geframt.

Dann: Penetration des Zauns, Ersatzhandlungen, schließlich der symbolische Verlust der Unschuld:

Schon dieses Bild, die Großaufnahme der zerbrochenen Puppe, zeigt ein "zu früh", ein unmögliches Trauma, das im realen Leben und mit den Mitteln des Kamerarealismus nicht mehr einzuholen, nicht mehr bearbeitbar sein wird. Aber der Prolog geht noch weiter. Der Verwandte aus England tritt auf und streicht durch seine körperliche Gestalt selbst die kindliche Utopie, die aber immer schon eine in vieler Hinsicht (psychosexuell, familiär, sozial) überdeterminierte und deshalb hier auch eine im / als Bild gerahmte ist...

...aus:

Das ist in der Logik des Films durchaus auch ein Akt der Befreiung vom mütterlichen Blick. Vor allem aber ist das der Moment eines unwiderbringlichen Verlusts, er erschafft ein utopisches Objekt, das zu einem unwirklichen wird, weil es sich nicht länger auf einen realen Zustand bezieht, sondern auf dessen idealisierte (vom psychosexuell-familiär-aristokratischen Komplex befreite) Essenz. Zuerst werden Modelle gebaut, die doch nicht viel mehr sind als weitere Rahmungen:

Auch die Rückkehr nach Paris bringt nichts zum Vorschein außer weiteren Gitterstäben und einer anderen Frau auf derselben Schaukel. Danach variiert der stets äußerst elegante Film seine Motive: immer wieder Modelle, immer wieder Gitterstäbe. Bis schließlich das Modell zur Sache selbst wird (er ist Architekt und baut ihr ein Haus) und die Gitterstäbe zu dem Gefängnis, das sie eigentlich von Anfang an waren. Und erst, wenn der Film so ganz materialistisch den Zielpunkt seiner eigenen Logik erreicht hat, beginnt die Befreiung. Die der Filmsprache wie die der Liebenden. Und wie beide Befreiungsbewegungen (realisierbar jeweils nur unter den Bedingungen des Traumes, beziehungsweise des Traumgenres) dialektisch ineinandergreifen, das habe ich wunderschöner selten gesehen. Die Hand greift durchs Gitter...

das keines mehr ist (bzw: das nur noch Bild ist und keine Materie mehr):

Und das funktioniert nur, weil auf der anderen Seite des Gitters niemand mehr steht. Auch das Modell taucht noch einmal auf, transformiert in Hollywood-Kunsthandwerk at its very best:

Ein Meisterwerk.

1 comment:

Anonymous said...

vor ewigkeiten gesehen, ich stimme ganz und gar zu bert