Friday, October 22, 2010

The Arrival, Erik Matti, 2009

Ich kannte von Matti vorher nur Gagamboy, eine wilde, offensiv und freudig trashige Parodie auf Superheldenfilme, in die immer wieder die soziale Wirklichkeit des Drehorts eindrang in Form von Passanten, die das Bild durchquerten und tendenziell zuungunsten der albernen Handlung dominierten. Der neue Film macht etwas ähnliches mit seiner Tonspur. Viele Innenraumszenen sind geradezu ohrenbetäubend laut, weil - wie in Brillante Mendozas Serbis - Alltagsgeräusche durch die Ritzen in den dünnen Wänden dringen. Dabei spielt der Film zu weiten Teilen nicht einmal in der Großstadt, sondern in der Provinz. Die Hauptfigur Leo, mit deren süßlichen Bescheidenheit ich mich nicht immer so leicht abfinden konnte, nimmt zu Beginn Urlaub (und auch dabei kommt ihr der Straßenlärm zu Hilfe), fährt in die Provinz und bleibt dort. Zuerst nur, weil Leo ein Haus und eine Frau aus einem Traum erkannt zu haben glaubt - im Traum läuft die Frau aus dem Haus und küsst die Kamera.
Doch dieser Handlungsstrang ist von Anfang an underplayed, die romantische Eroberung gestaltet sich zunächst leichter als erwartet, nur um dann aus heiterem Himmel aprupt und endgültig zu scheitern. Sowohl Courting als auch Liebeskummer sind dem Film bereits zu viel Dramatik. Viel wohler fühlt sich der Film - und fühlt sich Leo - bei seinen Wirten, einem Vater und einem Sohn, die ihn zunächst ein wenig ausnehmen, dann ein wenig liebgewinnen. Matti filmt The Arrival strikt antiklimatisch, jeder dramaturgischen Spitze, die am Horizont aufzutauchen scheint, wird schnellstmöglich eingedampft. Es ist schon irgendwie rührend, wie der Genrefilmer Matti gegen die Instinkte der Industrie, der er entstammt, einen fast-schon-Ozu-Film zu drehen versucht. Weniger rührend als sonderbar ist, wie sich zwischendurch doch wieder Bilder in den Film schieben, die eindeutig einem Kino entstammen, dem Aufmerksamkeitsökonomie über alles geht. Die Hochglanz-Traumszenen gehören dazu, es gibt aber andere Passagen, die viel stärker aus dem angestrebten Fluss der sanft modellierten Alltagsdynamiken ausscheren. Eine von mehreren Montagesequenzen, die das gemütliche Landleben zu gemütlichem Asia-Pop zelebrieren, beginnt mit freundschaftlichen Grillabenden und Angelausflügen, endet jedoch mit einem gemeinsamen Bordellbesuch, eine ganze Schar von Prostituierten stürzt sich auf die drei Männer, im späteren Verlauf wird diese Szene nicht nur nie erwähnt, sie hat auch nicht die geringsten Nachwirkungen, weist keinerlei Kontinuität zur restlichen Filmwelt auf.

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