Tuesday, January 10, 2012

Con la rabbia agli occhi / Death Rage, Antonio Margheriti, 1976

Das Kino 3 im Babylon Mitte ist eigentlich fürchterlich: viel zu eng, schreckliche Sitze, kleine Leinwand. Wenn man aber in der ersten Reihe sitzt, kaum zwei Meter von letzterer entfernt und wenn da eine etwas mitgenommene, ins Rötliche lehnende Filmkopie eines italienischen Actionfilms aus den Siebzigern durch den Projektor läuft, wenn dann also die Gesichter und Autos in liebevoll-routinierter Montage an einem vorbeigleiten, manchmal punktiert durch Zooms und hektische schwenks, dann vergisst man das alles schnell.
Der Film selbst ist vom großen Antonio Margheriti inszeniert, jenem Italo-Genreregisseur, der sein englisches Pseudonym für den internationalen Markt (Anthony M. Dawson) am ernstesten genommen hat und in fast jedem Film verwendete. Man kann da schon von einer ziemlich vollständigen Identifizierung mit dem amerikanischen B-Film ausgehen, die irgendwie bereits in der Ökonomie des no-nonsense-Namen "Dawson" steckt. Manches an Con la rabbia agli occhi ist fast zu routiniert, aber zwischendurch gibt es viel Wunderbares. Gleich, wenn der Film das erste Mal (für einen kurzen Ausflug allerdings nur) in die USA herüberwechselt (wo die Autos doppelt so breit sind wie in Italien und die Hochhäuser fünfmal so hoch), gibt es eine berauschende Szene auf einem Siebzigerjahrerockkonzert vor Hochhauskulisse, ein fast schon außerweltliches Happening, in das ein Schuss eindringt, der durch einen roten Vorhang hindurch abgegeben wird.
Yul Brynner (in seiner tatsächlich letzten echten Rolle, laut imdb) wird dann in Amerika angeheuert, um in Italien eine Rechnung zu begleichen. Einmal ist Brynner mit einer Blondine im Hotelzimmer, nachdem sie minutenlang nackt herumgelaufen ist, sieht er ein, dass er sich auch ausziehen muss, der Fairness halber. Sein Oberkörper ist nicht mehr der allerkompakteste, als er sich einmal mit dem Ellenbogen aufstützt, zucken seine Brustmuskeln seltsam. Selten sieht man so etwas in einem Film: unwillkürliche Zeichen des körperlichen Verfalls.
Was auf jeden Fall noch bleibt, bleiben wird, sind die Verfolgungsjagden. Der Alfa Romeo Giulia, ein besseres Auto hat es vermutlich sowieso nie gegeben. Wie sich die Federungen durchbiegen und die Karosserie in Schräglage gerät, wenn die Wägen kurven nehmen: auch so etwas sieht man heute, bei den weniger eckigen aber trotzdem viel plumperen Sportautos der Gegenwart (die nicht mehr auf dieselbe Art und Weise mit dem Körper des Fahrers zu kommunizieren scheinen, die nur noch Behälter sind) nicht mehr. Während einer Verfolgungsjagd kommt es zu einem großartigen Duell zweier Auftragskiller, das sich in einem Straßencafe zuspitzt und das Brynner nur überlebt, weil vor dem Fenster des Cafes einige Musikanten vorbeimarschieren. Die Blicke durchs Fenster vom und ins Auto, vom und ins Cafe, dazwischen das Leben auf der Straße: auch solche einfachen, dynamischen Situationen, die sich direkt aus einem Ort ergeben, gibt es immer seltener im Actionkino.
Vernünftige DVD-Fassungen des Films scheint es nicht zu geben. Ich konnte zwar eine ungekürzte Version auftreiben, die ist aber dafür im Vollbild-Format.

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