Saturday, November 17, 2012

Girimunho, Helvecio Marins / Clasrissa Campolina, 2011

Die alte Frau spricht zum regungslosen alten Mann. Erst denkt man, sie schimpft mit ihm, weil er nicht mit ihr tanzen geht. Dann nimmt ihr Monolog eine andere Richtung, sie ist eigentlich ganz zufrieden damit: dass sie raus geht, zu den Parties und dort sogar tanzt, während er, der sich da eh nur betrinken würde, zuhause bleibt. Noch etwas später realisiert man (zumindest: ich, vielleicht habe ich vorher etwas verpasst), dass der Mann eigentlich schon tot und nur eine Art Geistererscheinung ist. Ich habe sogar noch eine Weile gebraucht, bis ich die Szenen mit der monotonen Musik und dem herkunftslosen Werkzeuggeklapper mit dieser Geistererscheinung in Verbindung gebracht habe. Die alte Frau findet eine Pistole und redet darüber, dass sie mutig war, dass sie aber auch immer noch mutig ist. Die Frau widersetzt sich dem Versuch, den ihre eigenen Monologe ihr immer wieder nahelegen: die Gegenwart mit der Vergangenheit in Verbindung zu bringen.

Das Sprechen irritiert weiter. Wie in der ersten Szene muss man sich noch mehrmals darüber klar werden, dass viele Sprechakte, vor allem die der alten Frau, nicht Informationen an andere weitergeben oder andere aktivieren wollen, sondern dass es eher um Selbstauskünfte, um Selbstvergewisserung geht. Dass viele Sprechakte genauso funktionieren wie die Lieder, die nicht nur die alte Frau immer wieder singt. Wenn die alte Frau mit der Enkelin, die sie pflegt (und die diese Aufgabe an eine andere Enkelin weitergeben wird), spricht, dann richten sich ihre Worte immer nur halb an ihr Gegenüber - und die Enkelin hört auch nur halb zu.

Der Film spielt irgendwo in der Einsamkeit des Sertão, aber er bleibt oft in den Innenräumen und lässt nur einen Spalt nach Außen offen und selbst der Spalt ist oft verstellt. Wenn er nicht verstellt ist, steht eine helle Lichtsäule in der Mitte des Bildes, ein wirklicher Blick ins Freie öffnet sich da nicht. Dann wiederum gibt es Aufnahmen der Landschaft, von unglaublicher Schönheit, aber diese Einstellungen sind stets menschenleer. Oft, in den meisten Einstellungen, in denen Figuren zu sehen sind, gibt es nur einen kleinen Schärfebereich. Die Kamera bewegt sich wenig, emphatische Bewegung kommt nur einmal vor: da nimmt der Film die Bewegung eines Schiffes auf und blickt von ihm aus auf die alte Frau. und dann von der alten Frau aus auf das sich bewegende Schiff.

Am Ende läuft die alte Frau in ihre eigene Subjektive, die gleichzeitig eine dieser vorher stets menschenleeren Naturaufnahmen ist und redet darüber, dass das Alter keine Rolle spielt.

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