Friday, August 09, 2013

Mannen pa taket, Bo Widerberg, 1976

Einige der Sjöwall / Wahlöö-Krimis habe ich vor vielen Jahren einmal gelesen. Wenn ich mich richtig erinnere, auch den Mann auf dem Dach. Bei allem kommunistischen Furor hatte ich die Bücher aber nicht halb so hart, kalt-fiebrig, unversöhnlich in Erinnerung, wie das, was mir da aus dem Schüttelfrost-Film von Bo Widerberg entgegengesprungen ist; aus dem unglaublich tollen Soundtrack nicht zuletzt, der den Film wieder und wieder antreibt, ohne eigentlich viel klangliche Substanz zu haben; eigentlich ist das zombifizierter Morricone. Genau wie die ausgeblichenen Farben (auf der DVD zumindest) aussehen wie zombifiziertes Technicolor. Und der ganze Film wäre dann so etwas wie ein zombifizierter Poliziottesco (ohne den Alfa Romeo Giulia und dessen Federung, jeder Cut fährt einem direkt in die Knochen), ein zombifizierter Eastwood-Copfilm.

Ganz anders, eigentlich gialloartig beginnt alles mit einer (unreinen) Subjektiven des Killers, die dann aber nach dem ersten Mord komplett wegbricht, einem protokollarischen procedural Platz macht: alte Männer in leergeräumten Funktionsbauten tauschen Informationen aus. Besonders gern reden sie über Waffen. Sozialdemokratisch-protestantisch-skandinavische Tristesse - Familie und Arbeit, Familie als Arbeit, Arbeit als Familie, kein Ausweg, außer man geht aufs Dach und schießt auf alles (Uniformierte), was sich bewegt. Ein unfassbares Finale, da auf dem Dach, gut vierzig Minuten lang, da wird der Film endgültig zur Bewegungschronik. Ein gewissen Regeln folgender und dennoch vollkommen sinnfreier, in gewissem Sinne abstrakter Amoklauf, fast schon ein Amoklauf ohne Amokläufer. Alles genau und ohne viel Spirenzchen nachgezeichnet und dennoch im filmischen Detail (die Einstellung, die dem Kind auf dem Dreirad folgt, fast wie in The Shining) hemmungslos. Das blanke Entsetzen der Passanten, in dem Moment, in dem die sonst strukturell bleibende Gewalt an die Oberfläche der Gesellschaft dringt.

Das stimmt so natürlich nicht ganz, wie ich das nacherzählt habe, wenn man den Plot beim Wort nimmt. Der Mann auf dem Dach hat durchaus gute Gründe, er hat eine Biografie, sicher auch einen Körper; nur: den bekommt der Film nicht zu fassen. Es gibt außerdem Differenzen, erst einmal: gute Polizisten und böse Polizisten. Nur sehen die guten genauso kaputt aus wie die Bösen. Es gibt alte Männer und junge Männer (Frauen gibt es wenige; vielleicht deshalb, weil die Männer sie umgebracht haben). Zynische alte Männer und politisch aktive junge Männer, genauer gesagt. Aber die jungen sehen auch schon alt aus.


No comments: