Friday, September 18, 2015

Nemirni, Vojislav 'Kokan' Rakonjac, 1967

Wirklich großartig ist der Film in der Anfangsphase, da stehen die einzelnen Szenen mit harschen Kanten gegeneinander: eine Autoverfolgungsjagd, eine Konzertszene, bei der eine Frau, die zur Musik einer optisch eher nerdigen Band ausgelassen tanzt, sich die Haare, die ihr wie ein Vorhang vors Gesicht gefallen sind, zurück streicht (gefilmt ist das in einer extremen Großaufnahme, aber obwohl alles im Bild in Bewegung ist, hat diese Geste eine fantastische Präzision), dann ein Unfall. Der Film bewegt sich flashartig, wie durch eine ewige Nacht, die von vereinzelten Lichtblitzen erhellt wird.

Dann wird es Tag und der Film normalisiert sich ein wenig. Die Szenenfolge bleibt bisweilen durchaus erratisch, die diversen Handlungsstränge werden zwar parallel geführt, aber nicht nach Neben- und Haupthandlungen unterschieden. Zwischendurch nimmt die Geschichte einer naiven, blonden Prostituierten überhand, das hat einigen Humor, weil die Schauspielerin ziemlich super ist, wird aber gelegentlich auch ziemlich finster, weil man da Einblick in eine Welt bekommt, in der die Geprügelten nichts besser zu tun haben, als gegen die in der sozialen Hierarchie noch weiter unten Stehenden auszuteilen (zum Beispiel gegen ein Roma-Paar, das in einer supertristen Gaststätte weltverloren in die Luft starrt). Eine andere Episode um ein sich gegenseitig das Leben zur Hölle machendes Paar, das ausschaut wie aus einem Universal-Horrorfilm der 1930er und das passenderweise in einer grandios und doch dezent stilisierten Szene einen Friedhof besucht, fügt sich nicht so recht zum Rest des Films. Vielleicht hatte sich Rakonjac einfach nur für das höchst eigenartige Gesicht der Frau interessiert.

Auch diese zweite, entschärfte Tonlage des Films hat mir gefallen. Nemirni ist ein sumpfig-nebliges road movie, in dem zwar alle entwurzelt durch die Gegend driften (nur ein Elternhaus gibt es, und das ist ziemlich infernalisch), aber niemand vom Fleck kommt; in dem alle ständig aneinander vorbei fahren, jeder jeden einholt, im Rückspiegel immer irgendjemand sichtbar bleibt, auch bei Vollgas. Die Frauen, die allesamt keine Identitätspapiere haben, steigen zu den vorbeifahrenden Männern in deren Autos und dann steigen sie auch wieder aus. Eine, die das Aussteigen nicht mehr schafft, stirbt und setzt eine Ermittlung in Gang, die auch wieder einigen Betrieb macht aber nicht recht vom Fleck kommt.

No comments: