Tuesday, January 05, 2016

KoreanFilm 2: Eoneu yeodaesaengui gobaek / A College Woman's Confession, Shin Sang-ok, 1958

https://www.youtube.com/watch?v=R7Jhdqp3UUE&index=11&list=PL787B4B9F8A07125E

Frauen, die in der Fabrik am Webstuhl stehen. Frauen, die in (toller Justizgarderobe) vor Gericht andere Frauen verteidigen. Frauen, die Bücher über andere Frauen schreiben. Frauen, die sich als andere Frauen ausgeben. Frauen, die Frauen verdächtigen, sich als andere Frauen auszugeben. Frauen, die an der Universität studieren und sich deshalb für den Tod anderer Frauen (bzw: ihrer Großmutter; der Besuch am Hang, als Silhouette vor dem Weiß des Himmels - eine tolle erste Einstellung) verantwortlich fühlen. Und immer wieder: Frauen, die befahrene Straßen überqueren, den unvermittelt ins Bild hineinfahrenden Autos ausweichen, ein wenig ängstlich, aber nicht unelegant.

Die Männer rauchen derweil Zigaretten, tragen verspiegelte Brillen, humpeln mit Gehstöcken durch die Gegend, lehnen sich korpulent im Chefsessel zurück, schwingen große Reden über die anstehende Modernisierung des Landes, oder darüber, dass, wie ein junger Streber meint, der im Film am Ende nicht nur die weibliche Hauptfigur bekommt, sondern dem wohl auch die Zukunft des Landes gehört (oh Schreck!): "Erst einmal müssen wir die Fehler unserer Gesellschaft beseitigen!" Kurz: Die Männer bekommen nicht allzu viel auf die Reihe.

Müssen sie auch nicht. Das Land gehört den Männern, aber wenn es klappen soll mit dem modernen Korea, müssen die Frauen aktiviert werden. Eine sonderbar verquere Geschichte zeigt, wie das funktionieren kann: durch eine Ideologie der (nicht-biologischen) Tochterschaft. Frau muss sich das Recht verdienen, eine Tochter sein zu dürfen. Und wenn frau erst einmal Tochter ist, darf sie auch alles andere sein.

Eine sonderbar reflexive Geschichte außerdem: Eie erste Frau, die den Roman schreibt, kommt auf den Gedanken, eine fiktionale Tochterschaft in die Realität zu übertragen. Eine zweite Frau, die sich für den Tod ihrer Großmutter verantwortlich fühlt, agiert diese Fiktion aus. Eine dritte Frau kommt ihr auf die Schliche. Und dennoch darf die zweite Frau am Ende zur Anwältin werden, die eine vierte Frau verteidigt. Diese vierte Frau ist wiederum ihr eigenes Spiegelbild. Oder genauer: ihr Zerrbild. Oder noch genauer: Sie, die zweite, ist das Zerrbild der vierten Frau. Oder am genausten: Sie ist das von der Moderne glücklich verformte Zerrbild der vierten Frau. Die Moderne zerrt, und das ist auch gut so.

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Sozialhistorisch ist der Film eine Fundgrube sondergleichen. Filmhistorisch wäre es interessant, den Abstand zu bestimmen, der A COLLEGE WOMAN'S CONFESSION von Kenji Mizoguchis gefallene-Frauen-Melodramen trennt.

Schon rein filmtechnisch, weil Shin Sang-oks Frühwerk oft noch etwas ungelenk anmutet, ganz besonders aber nicht nur die Musik, die sich immer wieder unpassend großspurig über den psychologisch und darstellerisch durchaus feinsinnigen Film legt, wie als würde jemand mit Pauken und Trompeten in der Kneipe einmarschieren (okok, ein schieferes Bild ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen). Es gibt ein Mißverhältnis zwischen dem manchmal bereits altmeistergleich souveränen, manchmal aber auch etwas zähen szenischen Aufbau und den raffinierten Spiegelungsverhältnissen der Handlung. Oder bedingt eines das andere? Bzw: Wenn bei Shin Sang-ok die Frau nicht "fällt", wer fängt sie auf? Ist die Form (Mizoguchis Mise en scene) von dieser Aufgabe entlastet worden? Ein subject for further research, jedenfalls...

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