Monday, January 25, 2016

S.P.L. II: A Time for Consequences, Cheang Pou-Soi, 2015

Wilson Yips S.P.L. ist in meiner nicht mehr allzu deutlichen Erinnerung ein geradliniger Actionfilm mit ausgedehnten, knüppelharten, ein wenig videospielartig inszenierten Kampfszenen. Nicht in jeder Hinsicht altmodisch und auch nicht komplett durchnostalgisiert, aber doch deutlich wertkonservativ, auf analoge Prügeltugenden Wert legend.

Und vor allem kein Film, der auf sein Sequel vorbereitet. S.P.L. II: A Time for Consequences hat mich umgehauen wie kein anderer Actionfilm, wie überhaupt kaum ein anderer neuer Film zuletzt. Cheang Pou-Sois Fortsetzung (die sich vom älteren Film eh nur den Titel leiht, und zwei Darsteller, die in neuen Rollen auftreten) ist keine Hommage an das, sondern eine durch und durch zeitgenössische Aktualisierung des Hongkong-Actionkinos der frühen 1990er. Ein Film, der es noch einmal wagt, Actionkino opernartig und emotional maximal überdimensioniert zu denken, der dabei aber von einer sehr gegenwärtigen Zerrissenheit geprägt ist.

Zerrissene Körper, zweifach zerrissen, sowohl äußerlich als auch innerlich - und innerlich streng genommen auch wieder doppelt: dem einen entnehmen Organhändler die Innereien, dem anderen bricht darüber das Herz. Natürlich werden die Körper vor allem in den ohne Einschränkungen großartigen Kampfszenen labil. Einerseits gibt es da eine Serie unglaublich exzessiver Plansequenzen, strategische Kamerabewegungen, die von den menschlichen Wahrnehmungsdimensionen weitgehend (wenn auch natürlich nicht komplett) abstrahieren und zum Beispiel auch durch Wände gleiten, wodurch sich die Kämpfe in bewegliche Körperskulpturen verwandeln; und andererseits gibt es Exzesse völlig anderer Art, unwahrscheinliche (und aus der Perspektive klassischer Actionfilmästhetik: unökonomische) Emphasen auf isolierte, lokale Aggressionen.

Wu Jing, Simon Yam, Tony Jaa, Louis Koo: Jeder explodiert anders, jeden zerreißt es anders, aus anderen Gründen, mit anderer Wucht. Die Verbindung stiftet keine Heldenreise, keine einzelne, individuelle Perspektive (kein einziger Körper mehr, der ganz ist, der im Laufe des Films zusammengesetzt wird; alle sind immer schon im Zerfallen begriffen), unter die alle anderen subsummiert werden. Die Instanz des Erzählers verbirgt sich nicht, auch sie leistet Arbeit: Wie bekommt man diese vier großen Gewalten (und die unzähligen kleinen) gemeinsam in einen Film, in eine Geschichte? Vermittels zweierlei Techniken: Techniken des Kinoerzählens (Rückblenden, Parallelmontagen) und, wichtiger noch, Kommunikationstechnologie.

Ein Smartphoneactionfilm. Die neuen, schlauen Telefone sind nicht nur, wie ihre Vorgänger, in der Lage, Menschen gleichzeitig vonenander zu trennen und miteinander zu verbindend; sie zerlegen die Menschen außerdem in ihre Einzelteile. Auf dem Bildschirm der Smartphones werden die Menschen ein drittes Mal zerrissen, datenförmig gemacht. Allerdings: Weder lässt der Film technoeuphorisch das neue Fleisch hochleben, noch sehnt er sich nach Echtzeitkommunikation zurück. Er zeigt einfach nur, wie’s ist: Die Smartphones sind Scharniere, die nicht mehr ganze Menschen miteinander verbinden, sondern nur noch mal mehr, mal weniger vollständige Körper- und Selbstbilder zueinander in (nichtlineare) Beziehung setzen. S.P.L. II: A Time for Consequences führt vor, was passiert, wenn man dieses Körper-Technik-Mobile in eine vorbehalt- und fixpunktlose Bewegung versetzt: all hell breaks loose. 

No comments: