Tuesday, March 07, 2017

Normierung der Wahrnehmung

"Es ist schwer, Moonlight zu sehen, ohne seinen Erfolg mitzudenken und diesen Erfolg als Teil der Rechnung zu betrachten" schreibt Frederic. Das ist in einem banalen Sinn richtig: Was man einmal weiß, kann man nicht mehr willentlich vergessen. Aber man sollte es zumindest versuchen. Denn was passiert, wenn man den Film von seiner Rezeption her wahrnimmt, zeigt der Rest des Textes: Das Vorurteil über das Publikum, beziehungsweise die Hollywoodideologie verhärtet sich zu einem normativen Urteil über den Film.

Der Satz, ab dem ich dem Text nicht mehr vertrauen kann, steht etwas weiter oben: "Es ist die Krux mit Moonlight, dass es im Kleinen immer um die Erfahrung von Alltagsmomenten geht, im Großen aber nie um eine queere Perspektive." Das ist schon sprachlich schief, weil die Satzkonstruktion (im Kleinen... im Großen) Äquivalenz behauptet, während tatsächlich eine negative Bestimmung gegen eine positive ausgespielt wird. Es geht nicht darum, was der Film tatsächlich im Großen, also in seiner erzählerischen Struktur, macht, sondern darum, welchem dem Film äußerlichen Ideal er nicht gerecht wird.

Im Folgenden legt sich der Text dieses (queer cinema-)Ideal exakt so zurecht, dass Moonlight daran scheitern muss, wodurch er erst als "konservativ und konventionell" gebrandmarkt werden kann. Eine "Fassade, die es niederzureißen gilt", eine "Normierung des Schwulen", der "kathartisch erlöst" wird - all das sind keine Beschreibungen des Films (in dem es weder Fassaden, noch Normierung, noch Katharsis gibt), sondern Projektionen.

No comments: