Wednesday, September 06, 2017

Beauty Parade, Tang Huang, 1961

"Nicht sie ist zu groß, Ihr seid zu klein", meint die Lehrerin zu den Mädchen, die Sue, ein Neuankömmling vom Land, hänseln. Noch ist alles in der Schule, in der der Film fast ausschließlich spielt, einem strikten Leistungsprinzip untergeordnet: Aufwachsen, das ist ein Wettbewerb. Das haben auch die Mädchen internalisiert. Die drei, die mit Sue in einem Zimmer wohnen, hören genau dann auf, sie zu triezen, wenn die vorher linkische Sue sich plötzlich als Sportstar entpuppt: Vom Kugelstoßen übers Speerwerfen bis zum Wettlauf und auch dem Wettschwimmen meistert sie alles und besiegt sie alle.

Die einzelnen Sportdisziplinen werden in einer Montagesequenz hintereinander geschaltet, die Inszenierung gehorcht einem dokumentarischen Ethos: Ungeschnitten wird gezeigt, wie Sue nach einem Fehlstart an allen vorbei rennt, und auch, wie sie im Schwimmbecken erst die Füße voran ins Wasser springt und dann doch ebenfalls alle überholt. Beim Basketballspiel, das zu ihrer eigentlichen Spezialität wird, erhält Sue allerdings immer dann, wenn sie zum finalen Korbtreffer ansetzt, eine Star-Großaufnahme. Endgültig entpuppt sich der Film in diesen Momenten als Aktualisierung einer Tradition des chinesischen Frauensportfilms, wird insbesondere zum Nachfolger von Queen of Sports (1934) und Woman Basketball Player No. 5 (1957).

Dass die Mitschülerinnen alle zu Sue-Fans mutieren, sobald Sue richtig loslegt, und dass sie ab dann so tun, als sei vorher nichts gewesen, nimmt ihnen der Film nicht übel. Die Mädchen sehen einfach, dass sie selbst mehr davon haben, wenn sie Sue hinfort helfen, als wenn sie sie bekämpfen, im Rahmen des Films ist das legitim. Beziehungsweise: Es geht gar nicht um Legitimierung, sondern um Verpflichtungen, die alle Schülerinnen ihren Familien gegenüber haben. Das ist auch die Differenz zu den älteren Filmen aus Shanghaier Produktion: Die Familie kommt ins Spiel, und darüber die schon ansatzweise bürgerlich organisierte Gesellschaft. Es geht nicht mehr darum, den Neuen Menschen oder die Neue Frau ins Bild zu setzen, sondern darum, innerhalb eines kompetitiven Systems zu reüssieren. Deshalb sind die Eltern erst gar nicht begeistert von den Erfolgen der Tochter, sie wollen lieber, dass sie etwas Ordentliches lernt. Die gesamte zweite Hälfte ist eine Verzögerungserzählung, die zum Ziel hat, den Eltern beizubringen, dass auch der sportliche Erfolg einen Wert hat, weil er aus den Schülerinnen eine Gemeinschaft schmiedet.

Mit das schönste an diesem - bei allen systemischen Härten, die er abbildet - reizenden Film sind die Gemeinschaftsaufnahmen, die Einstellungsfolgen, die ganze Schulklassen ins Bild setzt, oder die Zuschauer bei den Wettkämpfen, stets in flüssiger, organischer Manier. Die Schule ist weniger Gefängnis, als ein Aufbruch in die Moderne - auch wenn die endgültige Befreiung frühestens mit dem Abschluss erfolgen wird. In den Sportplatzszenen sind im Hintergrund, hinter den Zuschauerrängen, immer wieder Bergzüge zu sehen, das verleiht dem Film eine zusätzliche, luftige Frische.

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